vorschlag:hammer

Tears in Heaven

nach Motiven aus Stanisław Lems Solaris

In einer Raumstation schweben Forscher über einem scheinbar intelligenten Planeten, mit dem die Menschen seit Jahrzehnten versuchen, Kontakt herzustellen. Immer wieder kommt es auf der Station zu seltsamen Vorkommnissen. Unerwartete Gäste erscheinen. Die Auseinandersetzung mit dem Fremden stürzt die Forscher in die Krise. Das Unvermögen des menschlichen Verstandes, Andersartiges zu begreifen, wird dem Fremden in uns selbst gegenübergestellt.

Tears in Heaven begibt sich auf die Suche nach Möglichkeiten von Kommunikation mit dem Unbekannten und hinterfragt die Struktur von moralischen Werten, Wissenschaftlichkeit und menschlichen Verhaltensmustern. vorschlag:hammer sucht Antworten auf die Frage, wie man mit dem Unbekannten kommuniziert und zeigt eine Inszenierung, die Raumstationskammerspiel, wissenschaftliche Untersuchung, Science Fiction und Selbsterforschung zugleich ist.

Über vorschlag:hammer

vorschlag:hammer (Hildesheim/Zürich) mischt Erzähltheater mit performativen Darstellungsstrategien in einer eigenen Form, die das Live-Erleben in der Einzigartigkeit jeder Aufführung immer in den Vordergrund stellt. Die Arbeitsweise von vorschlag:hammer ist kollektiv, es gibt eine dynamische Rollenverteilung. Die Fragen der Inszenierung werden gemeinsam beschlossen, die unterschiedlichen Funktionen zwischen Beobachten und Darstellen werden in jedem Probenprozess aufs Neue entworfen. Die Gründungsmitglieder von vorschlag:hammer Kristofer Gudmundsson, Gesine Hohmann und Stephan Stock studierten Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim und Schauspiel in Bern und Zürich. Die erste Produktion der Gruppe, Vom Schlachten des gemästeten Lamms und vom Aufrüsten der Aufrechten (2009), wurde auf zahlreichen Festivals im deutschsprachigen Raum gezeigt und 2010 mit den Jurypreisen beim Körber Studio Junge Regie am Thalia Theater in Hamburg sowie beim 100° Berlin im HAU ausgezeichnet. Es folgten die Produktionen Tears in Heaven und Österreichisch Ungarische Nordpolexpedition am Berliner Ballhaus Ost. Seit der Spielzeit 2012/13 ist vorschlag:hammer im Rahmen des Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes Artist in Residence am Düsseldorfer Schauspielhaus. Dort entstand im April 2013 Stalker.

Wie geht der Mensch mit Dingen um, die zu begreifen er nicht im Stande ist bzw. die sich seinem Verständnis bewusst entziehen. Wie können wir über unsere Realität sprechen, gerade wenn sie uns entgleitet, weil wir uns nicht mehr auskennen und uns machtlos in Deutungs- und Zerstörungsphantasien probieren. Wie soll ich mich verhalten, was kann ich tun? Die Realität und ihre Fakten sind vordergründig beschreibbar und abrufbar. Die eigene Identität verliert sich in unbewältigten Aufgaben und fokussiert sich im machbaren des Alltags. Hier flüchten wir uns in die Fiktion und wie glaubhaft ist diese? Den größten Abstand zu unserer Realität ermöglicht in der Fiktion der Science Fiktion oder die Utopie. Und da die Utopie einen problematischen Abgleich mit der Realität aufzwingt bietet sich der Science Fiktion für eine spielerische Annäherung an, aber unbedingt der intelligente Science Fiktion und deshalb Solaris von Stanislaw Lem. Es ist scheinbar eine Auseinandersetzung mit etwas Abstrusen, die Erforschung eines scheinbar intelligenten Ozeans. Eine wunderbares Bild an dem sich all dies vorangestellte behandeln lässt.
Die technischen Unmöglichkeit, einen Science Fiktion auf die Bühne zu bringen, wird mit Understatement, der reduzierten ästhetischen Form, der Ironie im Umgang mit den Theatermitteln, dem oft zu leisen Sprechen und Vortragen, dem Einsatz des Lichts, dem seltsamen Start und Endpunkten der überraschenden Montage,  konterkariert. Es ist das Weglassen und das sich gegen die Theaterkonvention im Detail klar anders positionierende, das die besondere Kunst von vorschlag:hammer ausmacht. Es ist eine ungewöhnliche Seherfahrung, die sich als eigene Persönlichkeit und weniger als konzeptioneller Ansatz entfaltet. Da ist die ästhetische Form als unterschwelliges Schmunzeln dem unergründlichen Ozean verwand und trifft den Betrachter als sich fremdes Wesen jenseits von Intellektualität: „Time to say goodbye!“

Martin Thamm für die Auswahljury

Stab

Von und mit: Kristofer Gudmundsson, Gesine Hohmann, Margrit Sengebusch, Stephan Stock und Gästen

Kooperation mit der Zürcher Hochschule der Künste und dem Ballhaus Ost

Gefördert von: Körber-Stiftung